Die Bibel auf Latein – die Vulgata
Im Jahre 383 begann Hieronymus – einer der vier Kirchenväter des lateinischen Westens – im Auftrag von Papst Damasus I. in Rom mit einer Korrektur der lateinischen Version des Neuen Testaments. Ab 390 wandte er sich, mittlerweile nach Bethlehem übergesiedelt, einer Neuübersetzung des Alten Testaments zu – nicht auf der Basis der griechischen Übersetzung (Septuaginta), sondern unter direktem Rückgriff auf den hebräischen Originaltext. Damit schuf er anstelle der älteren lateinischen Übersetzungen einen neuen zuverlässigen Bibeltext – die Vulgata –, der in den folgenden Jahrhunderten allgemeine Verbindlichkeit erlangte und erst 1979, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil durch die Nova Vulgata abgelöst wurde. Von der kanonischen Gültigkeit der Vulgata im Mittelalter zeugt die Fülle der erhaltenen Handschriften.
Die beiden Abbildungen zeigen den Beginn des ersten Kapitels von Jesus Sirach in einer in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Mitteldeutschland entstandenen Vulgata-Handschrift (Universitätsbibliothek Leipzig, Ms 14, fol. 82v und 83r). Aufwendig gestaltete Initialen gliedern hier den Text.
Die Bibel auf Latein – Sie hören eine Lesung aus der Vulgata (Sir 1)
Gelesen von Monika Prams-Rauner, M.A. (Akademienvorhaben "Der Österreichische Bibelübersetzer", Arbeitsgruppe Augsburg)
⇒Sir 1: Das Buch Jesus Sirach, entstanden wohl um 180 v. Chr., gehört zu den Weisheitsbüchern des AT und versammelt im ersten Teil insbesondere Sprichwörter, in denen der Autor seinen – als jungen Mann vorgestellten – Leser zu einem gottesfürchtigen und gottgefälligen Leben ermahnt. Den Anfang macht in Sir 1 die Rede vom Ursprung der göttlichen Weisheit: Alle Weisheit kommt vom Herrn und ist bei ihm in Ewigkeit. Mit eben diesem Spruch eröffnet auch der Österreichische Bibelübersetzer sein Evangelienwerk: Aller weistumb ist von gote, unserm herren, und ist pey ym ze aller zeyt gewesen und ist vor allem alter, das ist vor aller zeyt und weyl. Er übersetzt hier den Text der lateinischen Vulgata: Omnis sapientia a Deo Domino est | et cum illo fuit semper et est ante aevum.
(Gelesen aus der Edition Biblia Sacra Vulgata. Lateinisch-deutsch. Band III. Psalmi – Proverbia – Ecclesiastes – Canticum canticorum – Sapientia – Iesus Sirach. Herausgegeben von Andreas Beriger, Widu-Wolfgang Ehlers und Michael Fieger, S. 1026ff.)